literature

Roter Nebel - Part 11 - What the Hell

Deviation Actions

AsaRoevardottir's avatar
Published:
484 Views

Literature Text

Die Zeit bis zur Morgendämmung war nicht mehr lang und schon Bald erkannte Shane wieder die Umrisse seiner Hand, die er sich prüfend vors Gesicht hob. Es war Zeit. Shane hielt die Luft an und schob Corey vorsichtig von seiner Brust und seinem Arm. Seine Hoffnung, sie nicht zu wecken, so lange sie noch diese Kuschelposition hatten, erfüllte sich nicht.

Sie schlug mit einem Mal die Augen auf und fuhr hoch. Noch etwas konfus sah sie sich um, blickte schließlich in Shanes angespanntes Gesicht und an sich herunter. Er sah der Veränderung ihrer Mimik deutlich an, dass sie den nicht vorhandenen Abstand zwischen sich und ihm, mit wachsender Bestürzung registrierte. Corey stieß sich von ihm weg und brachte gut einen halben Meter Abstand zwischen sie, mehr erlaubte der kleine Hohlraum nicht.

Ihre großen Augen flackerten von seinen Händen zum Gesicht, die Brauen gefährlich zusammen gezogen. Shane duckte sich instinktiv vor ihrem Zorn, ob er nicht mal wusste wieso. Er hatte nichts Falsches getan. Im Gegenteil! Er hatte dieser undankbaren Göre vermutlich den Arsch gerettet.

„Was zu Hölle…? Hast du mich-? Was hast du mit mir-?“, stammelte das Mädchen. Fassungslos und entrüstet fehlten ihr die Worte. Ihr Gesicht war kalkweiß. Was ich…? Was glaubt die denn? Empört über diese Andeutungen, setzte er sich auf und funkelte sie seinerseits herausfordernd an

„Ich hab uns beide vor einem qualvollen Tod bewahrt! Komm mal runter!“, fauchte er zurück. „Ich hab dich einfach nur festgehalten, weil du im Schlaf um dich geschlagen hast. Kein Bedarf, eine von dir zu kassieren. Schon wieder.“

Sie öffnete den Mund auf, doch es kamen keine Worte heraus. Sie fixierte ihn weiterhin, während es deutlich hinter ihrer Stirn arbeitete. Shane beobachtete wie sich Verwirrung, Bestürzung, Wut und Scham mit einander abwechselten. Doch Shane sah auch, dass sie sich nicht erinnerte. Vor allem nicht daran, dass sie sich letztlich an seine Brust geworfen hatte.

Das Mädchen presste so fest die Lippen auf einander, dass sie nur noch als schmale, nahezu weiße Linie sichtbar waren. Shane schüttelte aufgebracht den Kopf. Er hatte keine Lust auf unnötigen Streit. Es gab wahrlich wichtigeres. Abwehrend hob er die Hände.

„Beruhige dich. Es ist nichts passiert. Du hast geklungen, als ob du im Schlaf stirbst. Hast gejapst und um dich geschlagen, als würde jemand dich ertränken. Du warst wahrscheinlich kurz davor los zu brüllen, wie am Spieß. Ich hab einfach nur versucht dich zu beruhigen.“

Corey hob die Augenbrauen. Ihr ungläubiger Blick reizte ihn und zerrte an seinen Nerven. Bevor er sich stoppen konnte, explodierte er.
„Du arrogantes Miststück. Bild dir mal nicht zu viel auf dich ein!“

Erstaunt klappte dem Mädchen die Kinnlade herunter. Sofort verdüsterte sich ihr Gesicht erneut. Shane vermutete, dass sie es nicht gewohnt war, von jemandem so behandelt zu werden. Doch sie überraschte ihn auch. Statt wie erwartet völlig auszurasten, schloss sie den Mund beherrscht wieder und jede Andeutung eines Gefühls verschwand aus ihrer Mimik. Kalt und leidenschaftslos erwiderte sie noch einen Moment seinen Blick. Doch sagte nichts. Blinzelte nicht mal. Stattdessen zog sie sich die Weste an und schnappte nach der Wasserblase, die noch immer am Kopfende ihrer aufgerollten Decke lag. Stumm öffnete sie den Ausgang nach draußen. Ohne sich nach ihm umzusehen, verließ sie das Versteck. Etwas ratlos zögerte Shane, bevor er ihr schließlich hinaus folgte. Als ihr Gesicht zu einer desinteressierten Maske wurde, war seine Wut schlagartig verpufft.



~ ~ ~



Corey spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Was für ein Alptraum. Ihr war übel und der Speichel, der sich sofort wieder unter ihrer Zunge sammelte, egal wie oft sie aus spie, schmeckte nach Eisen. Sie erinnerte sich daran, schlecht geträumt zu haben. Und daran, in dem Traum gerettet worden zu sein. Von ihm. Sie wischte sich mit dem Unterarm über Augen und Stirn und spuckte noch mal in den Bach. Rötlich und schaumig schwamm ihre Spucke davon.

Corey hob den Kopf zum Himmel. Hellblau und wolkenlos spendete er noch nicht viel Licht. Die Sonne war noch nicht über den Horizont geklettert. Eigentlich liebte sie diese Zeit des Tages. Die Stille und die Einsamkeit. Sie hatte sie häufig mit Sharps verbracht, wenn sie konnte. Heimlich natürlich. Wehmütig trat sie über größere Steine und trockene Erde in den Schatten der Bäume. Sie sah sich um. Wohin als nächstes?

Hinter ihr verschloss Shane den Hohlraum und tarnte ihn geschickt. Niemand, der nicht ganz genau hinsah, würde erkennen, dass dieser Erdhügel zwischen den dicken Wurzeln und einer umgestürzten verwitterten Baumkrone künstlich angelegt worden war. Bei seinem Anblick stöhnte sie gestresst. Sie war geneigt ihn einfach zurückzulassen. Selbst wenn er ihren Spuren folgen konnte, würden ihn sicher die anderen aufgreifen, lange bevor er sie wiederfinden würde. Nein! Das ist scheiße. Vor allem, wenn wahr ist, was er sagt…

Unzufrieden mit sich selbst und ihrer neu entdeckten Moral, knirschte sie mit den Zähnen. Sie hatte beschlossen, den Mann heil hier herauszubringen. Sie hatte es versprochen. Und fühlte sich dazu verpflichtet. Würde sie sich jetzt einfach davonmachen, konnte sie ihn auch gleich selbst ein Messer in den Rücken rammen. Buchstäblich.

Sie atmete tief durch und beschloss diese Nacht, egal was tatsächlich geschehen war, aus ihrem Gedächtnis zu streichen, als wäre nichts passiert. Insgeheim schätzte sie Shane nicht so ein, als würde er sich Frauen vergreifen, wenn sie es nicht bemerkten und wehren konnten. Andererseits hasste sie den Gedanken, dass ein anderer als Sharps sie nachts im Arm hielt und zur Ruhe bringen konnte, wenn sie von Alpträumen verfolgt wurde. Verbissen kämpfte sie ihren Ärger nieder. Konzentration! Sie würde keinen weiteren Gedanken mehr an etwas verschwenden, dass nicht unmittelbar mit ihrer Aufgabe zusammenhing.

Corey beobachtete Shane ungeduldig aus dem Augenwinkel. Er war endlich mit Tarnung ihres Unterschlupfs fertig, an der sie sich bewusst nicht beteiligt hatte und beendete soeben die Anpassung der erbeuteten Weste auf seine Größe. Etwas unsicher schielte er zu ihr herüber. Offensichtlich wartete er darauf, dass sie wieder auf ihn zukam. Bevor sich ihre Wut erneut entfachte, baute sie sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. Sie ließ die Ungeduld aus ihrem Geist verschwinden und hatte absolute Kontrolle über ihr Gesicht, ausdruckslos und undurchschaubar musterte sie ihn.

„Kein Wort! Du wirst mir folgen und ohne Zögern tun, was ich von der verlange und du wirst dich nicht auf eigene Faust von mir entfernen! Wenn dir was auffällt, weist du mich stumm darauf hin. Verstanden?“

Er nickte. Corey deutet mit auf den steinigen Bachlauf. „Und los!“

Zügig entfernte sie sich und stapften geduckt über das kiesige Ufer. Corey ging voran, Shane folgte mit wenigen Metern Abstand. Sie konzentrierte sich ganz darauf, was vor und neben ihr lag und verließ sich auf die Rückendeckung ihres Begleiters. Der Bach war nicht sonderlich breit und doch durch das steinige Flussbett gab es kaum Ufervegetation, hinter der man sich verstecken konnte. So achteten beide wieder darauf, aus der Entfernung möglichst nicht gesehen zu werden und sich bei Gefahr schnell außer Sicht zu bringen. Nach einigen hundert Metern versperrte ihnen ein riesiger Totholzstamm den Weg. Der Bach gurgelte gemächlich unter ihm hindurch, doch die beiden Menschen würden über ihn klettern oder umgehen müssen. Corey nickte zum Wald auf ihrer Seite des Baches, ohne sich nach Shane umzusehen und trat durch die bis zum Boden reichenden Zweige einer alten Weide, die am Ufer wuchs. Als Shane ihr durch die Zweige folgte, schlossen sie sich hinter ihm, wie ein wogender, nahezu blickdichter Vorhang.

„Ich halte nach Spuren Ausschau, du überwachst die Umgebung“, befahl sie gedämpft und ohne ihn anzusehen. „Wir stöbern sie auf.“

Sie schob die Finger zwischen die Zweige und weichen, länglichen Blätter, und öffnete den Vorhang einen Spalt breit. Suchend spähte sie in das unbekannte Terrain. Natürlich war niemand zu sehen und nur die gewöhnlichen Laute des Waldes und das Gurgeln des Wassers waren zu hören. Leicht gebückt trat das Mädchen nach draußen und Shane folgte ihr wie ein treuer Schatten.
Als es Zeit wird Corey zu wecken, versucht sich Shane unbemerkt von ihr zu distanzieren, um keine unangenehme Situation zu provozieren. Doch sein Plan ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Wie wird das Mädchen, dass sich gerade noch an ihn geklammert hat reagieren?


Part 9
Part 10
© 2017 - 2024 AsaRoevardottir
Comments4
Join the community to add your comment. Already a deviant? Log In
Tutziputz's avatar
Hihi, hier gelingt Dir das Spiel mit der Perspektive sehr schön. Vor allem hast Du den Perspektivwechsel genau zum richtigen Zeitpunkt vollzogen.

Coreys Aufwachen, ihr Erschrecken, aber auch ihre Wut erlebt man durch Shanes Augen. In diesem Augenblick ist sie für den Leser ebenso unberechenbar wie für Deinen Protagonisten. Ihre Ängste, der Grund für ihre Alpträume bleiben verborgen, was den Leser angesichts des nach wie vor ebenso rätselhaften wie tödlichen Spiels, in dem sich Corey befindet, direkt wieder neugierig macht. 

Ebenso wenig kann man einschätzen, wie sie gleich reagieren wird. Wird sie Shane an den Hals gehen, ihn einfach stehenlassen ,oder wird sie es schaffen, ihr Misstrauen und ihre Ängste zu beherrschen? Hier erzeugst Du echte Spannung.

Der Perspektivwechsel erfolgt dann in dem Moment, in dem sich ebendiese Spannung wieder löst. Ab jetzt ist Corey - von einigen kurzen rückwärts gerichteten Gedankensplittern einmal abgesehen - wieder von der Gegenwart beherrscht, ihre kurze Krise ist vorbei, und ihre Ratio übernimmt erneut das Heft des Handelns. Ihr Kampf - das tödliche Spiel - geht weiter, und der Leser erwartet nun voll Spannung ihren nächsten Zug. Die Shane-Perspektive wird nicht mehr gebraucht.

Ach ja, und ganz nebenbei erfährt der Leser durch den Perspektivwechsel, dass die leise Erotik, die sich im letzten Kapitel eingeschlichen hat, (noch) nicht auf Gegenseitigkeit beruht, sondern sich ausschließlich in Shanes Kopf abspielte. Noch überwiegt die Angst der diesbezüglich vollkommen verunsicherten Corey.